Turboladerguss

Turboladergussteile für neue Hochleistungsmotoren erfordern nicht zuletzt wegen der angestrebten Verringerung der Abgase und den steigenden Leistungen einen auf das Bauteilverhalten abgestimmten Werkstoff. Mit zunehmender Anlagengröße und Leistungsfähigkeit steigen die Anforderungen an diese hoch beanspruchten Gusskomponenten.

Im Groben besteht ein Turbolader aus zwei Hauptbaugruppen:

Abgasseitig nimmt das Turbinenrad im Turbinengehäuse die Energie aus den Abgasen auf und überträgt diese über eine Welle mechanisch an den Verdichter. Das Turbinenrad kann sich dabei mit einer Drehzahl von 160.000 bis 300.000 Upm drehen. Im Bereich des Turbinengehäuses müssen beim Ottomotor Abgastemperaturen bis zu 1.050 °C ausgehalten werden. Auch das Turbinenrad, die Bypass-Klappe und der Hitzeschild erreichen entsprechend hohe Temperaturen. Der Hitzeschild wirkt dem Eindringen der Wärme in das Lagergehäuse entgegen. In der Regel ist das Lagergehäuse wassergekühlt, um auch nach Abschalten des Motors einen unzulässigen Temperaturanstieg zu verhindern.

Auf engstem Raum treffen in diesem Bauteil vier verschiedene Medien aufeinander:

  • Heißes Abgas
  • Kalte Luft
  • Wasser für die Kühlung
  • Öl, das nicht zu heiß werden darf

In der Gießerei werden für das Bauteil „Abgasturbolader“ vor allem drei Bauteile gegossen:

  • Das Turbinengehäuse
    Beim Dieselmotor: in der Regel hochlegierte Sphäroguss-Sorten wie D2 und D5.
    Beim Ottomotor: aufgrund von sehr hohen Einsatztemperaturen: austenitische Stahlgusssorten mit hohen Ni-Cr-Gehalten.
  • Das Lagergehäuse: In der Regel aus Grauguss
  • Das Turbinenrad: Hoch warmfeste Nickelbasislegierung, die im Vakuum verschmolzen und vergossen wird.

Das Turbinengehäuse

Dem Turbinengehäuse kommt hierbei eine zentrale Bedeutung zu, da es thermisch sehr hoch belastet wird und aufgrund seiner Größe, Komplexität und seines Materials auch das teuerste Bauteil ist. Der Gießer ist hier mit dünnen Gehäusewandstärken, sehr aufwändigen bis filigranen Strukturen mit hohen Temperaturgradienten innerhalb des Bauteils und häufigem Temperaturwechsel während des Betriebes konfrontiert. Zusätzlich wird heute der Turbolader auch in Kombination mit dem Abgaskrümmer als ein kombiniertes Bauteil dargestellt. Unter Volllast ist das komplette Bauteil extremem thermischem und mechanischem Stress ausgesetzt. Dies zeigt sich in der Tatsache, dass es rotglühend wird. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sind eine langjährige Erfahrung und der Einsatz modernster Konstruktions- und Simulationsmethoden notwendig.

Gießverfahren und Werkstoffe für das Turbinengehäuse

Die Kerne für das Gussteil werden entweder aus Croning® (eingetragenes Warenzeichen der ACTech GmbH) -sand oder mit verschiedenen Cold Box-Rezepturen und zugehörigen Formen aus Bentonit-Sand gefertigt. Es handelt sich also um einen klassischen Sandguss. In den meisten Fällen werden heute Turbinengehäuse in Sphäroguss (Qualität GJSA-XNiSiCr 35-5-2, d.h. Niresist D5 S) hergestellt. Dieses austenitische Gusseisen mit Kugelgraphit hat laut Fachliteratur Einsatztemperaturen bis zu 850 °C. In Ausnahmefällen sollen auch 900 °C erreicht werden. Bei den modernen Downsizingmotoren nehmen der Volllastanteil und die Wärmestromdichte zu. Diese Faktoren sind für die Lebensdauerbestimmung von Motoren unbedingt zu beachten.

Ferner steigen heute bei aktuellen Motorenkonzepten generell die Abgastemperaturen auf bis zu 1.050 °C. Vor diesem Hintergrund konstruiert man heute den Turbolader anders, und es werden neue, höherwertige Werkstoffe verlangt. Hierfür bietet sich hitzebeständiger Stahlguss an, dessen Werkstoffe und Verhalten aus der Petrochemie bekannt sind. Diese Erfahrungen müssen jedoch auf eine enorm „abgespeckte“ Bauteilgröße und die filigranen Wandstärken der Turbolader heruntergebrochen werden. Auch die preislichen Aspekte der neuen Werkstoffe müssen hierbei berücksichtigt werden. Für Abgastemperaturen von bis zu 1.050 °C finden vor allem hitzebeständige austenitische Stahlgusssorten Verwendung. Die Qualitäten haben hohe Chrom- und Nickelanteile, was Standfestigkeit und Temperaturwechselbeständigkeit besonders positiv beeinflusst.

Gegenüber D5 S ergeben sich aus dem Prozess um 200 bis 300 °C höhere Gießtemperaturen, der Werkstoff ist daher auch schwieriger zu vergießen. Für die Formen und Kerne dieser Turbolader bedeutet dies den Einsatz von hochwertigen Bindemitteln, hochfeuerfesten Schlichten und unter Umständen den Einsatz von Additiven oder Spezialsanden. Im Stahlguss kommt auch für die Formherstellung das Cold-Box-Verfahren zum Einsatz, um aufgrund der hohen Temperaturen Reaktionen mit dem Bentonitsand zu verhindern.

Auch das Konzept für das Anschnitt- und Speisersystem, das mit möglichst geringem Aufwand wieder vom Gussteil zu entfernen ist, gestaltet sich wesentlich komplexer. Hierfür werden hochwertige Filter für ein möglichst beruhigtes Vergießen des Werkstoffes benötigt. Bei den Speisern ist aufgrund der geringen Bauteilgröße und Anschnittfläche auf einen optimalen Wirkungsgrad zu achten.

Die größte Herausforderung für den Gießer ist aber, dass die Herstellung mit geringstmöglichen Ausschussquoten bei hoher Produktivität realisiert werden muss. Die Formplatte muss so gestaltet werden, dass möglichst viele Teile pro Form gegossen werden können. Für die optimale Nutzung der Formplatte ist eine enge und möglichst symmetrische Formplattenbelegung dringend erforderlich, so dass auch nach dem Gießen Strahlbarkeit gegeben ist sowie das Trennen der Bauteile mit der Anschnitttechnik in größtmöglicher Effizienz erfolgen kann. Auch die Speiserlage und der Speisertyp müssen so festgelegt werden, dass die Speiserhälse idealerweise in einer Formhöhe liegen und ihre Kontaktflächen zum Bauteil absolut gering sind. Sowohl im Eisen- als auch im Stahlguss sind die Werkstoffe hochlegiert und erfordern eine optimale Gestaltung der Speiser, um aus Kostengründen den Aufwand beim Abtrennen der Speiser sowie die Kreislaufmaterialmenge so klein wie möglich zu halten.

Der Gesamtprozess im Schmelzbetrieb, vom Einsatz der Legierungen über das Schmelzen bis zum Abgießen der Formen muss mit der größtmöglichen Konstanz ablaufen. Das exakte Einhalten aller Vorgaben ist Grundvoraussetzung, um Probleme mit dem Gefüge und Gussfehler wie Blasen, Pinholes, Mikroporosität und gar Lunker zu vermeiden. Der Umstand, dass mit ständig wechselnden Einsatzstoffen geschmolzen wird und auch bei der Schmelzführung ständig wechselnden Bedingungen herrschen, hat bei den empfindlichen Werkstoffen oftmals einen Anstieg des Ausschusses zur Folge. Über die exakte Einstellung des Grundgefüges und (speziell beim GJS) der Graphitform, deren Größe und Verteilung hinaus, muss insbesondere auf ausgewählte und erprobte hochwertige Schmelzbehandlungsstoffe geachtet werden.

Ein weiteres wichtiges Thema bei der Herstellung der Turbinengehäuse ist die prozesssichere Vermeidung von Blattrippen, die bevorzugt an der Innenseite der Turbine in der Teilungsebene der Kerne bzw. im angrenzenden Bereich auftreten. Der Putzaufwand wäre in einem solchen Fall sehr hoch und nur mit einem Spezialwerkzeug durchführbar. Da in aller Regel mit Quarzsand gearbeitet wird, spielt neben der Binder- und Schlichteauswahl vor allem das Additiv eine bedeutende Rolle für einen blattrippenfreien Abguss. Sowohl die Art des Additivs als auch die Zugabemenge nehmen hier den entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis.
Um besonders saubere und glatte Oberflächen an der Innenseite der Turbine zu realisieren, ist eine hochwertige Schlichte, heute in der Regel auf Wasserbasis, nötig. Die Schlichte muss aufgrund der sehr engen Bauteiltoleranzen exzellente rheologische Eigenschaften haben und in ihrer Rezeptur so ausgereift sein, dass Gefügeentartungen an der Grenzfläche zwischen Kern und Gussteil vermieden werden.

Da beim Abguss der Kerne Gießgase aus den Zersetzungsprodukten des Bindemittels entstehen, ist darauf zu achten, dass mit möglichst geringen Bindermengen gearbeitet wird und die Gasabfuhr so weit wie möglich über eine geeignete Kernentlüftung gewährleistet wird.

Die Speisung des Gussteils ist sowohl bei Sphäroguss als auch bei Stahlguss unerlässlich. Als Grundlage für die Speiserauswahl und Positionierung sollte eine Formfüll- und Erstarrungssimulation dienen. EXACTCAST™ Mini-Speiser BKS gewährleisten neben ihrer geringen Größe auch eine entsprechend kleine Kontaktfläche zum Gussteil mit optimalen Formeigenschaften. Ein druckloses, mit Filtern funktionierendes Anschnittsystem verhindert turbulente Formfüllung und verringert die Gefahr von Blasenfehlern und Kaltlauf. In der Regel wird bei der Formherstellung mit bentonitgebundenem Formstoff gearbeitet. Vor allem der Feuchte-, Fluor- und der Stickstoffgehalt im Bentonitsand können einen sehr negativen Einfluss auf die Gussqualität haben. Daher sollten fluorfreie EXACTCAST™ Speiser verwendet werden und die Anteile von Feuchtigkeit und Stickstoff nach Möglichkeit gering sein, um der Pinholesgefahr entgegenzuwirken. Auch der Glanzkohlenstoffbildner sollte möglichst konstant eingesetzt und auf keinen Fall häufig gewechselt werden. Kommt Stahlguss zum Einsatz, wird die Form ebenfalls aus chemisch gebundenen Formstoffen hergestellt, um konstante Eigenschaften zu gewährleisten und den hohen Gießtemperaturen entsprechend gerecht zu werden.

Das Turbinenrad

Das Turbinenrad ist das am meisten belastete Bauteil des Turboladers. Auch hier treten Temperaturen bis 1.050 °C auf, und die rein mechanischen Kräfte belasten das Bauteil extrem. In der Regel werden diese Turbinenräder aus hochfesten Nickelbasislegierungen erschmolzen. Der gesamte Prozess findet vom Einschmelzen bis zum Vergießen im Vakuum statt.

Das Lagergehäuse

Der größte Einfluss auf die Gesamtlebenszeit des Abgasturbolasters resultiert aus der Anbindung des Lagergehäuses an das Turbinengehäuse. Hier tritt der größte Temperaturgradient auf. Auch in diesem Bereich wird durch die höheren Abgastemperaturen eine Neuentwicklung der Wasserkühlung notwendig, da deutlich mehr Wärme entsteht, die abgebaut werden muss. Das Lagergehäuse selbst wird in der Regel aus Grauguss hergestellt und im Sandgussverfahren vergossen. Bei der Herstellung der Gussteile ist auf hohe Produktivität und geringe Nacharbeit zu achten. Die Kerne werden auch in diesem Fall mit verschiedenen organischen Kernherstellungsverfahren produziert. Die Form besteht aus bentonitgebundenem Formstoff.

Lösungen für Turboladerguss

Wir werden höchsten Anforderungen gerecht

Wie beim Motorenguss werden auch hier die von ASK Chemicals vertriebenen Produkte an die speziellen, in den jeweiligen Gießereien der einzelnen Länder vorherrschenden Grund- und Rohstoffe angepasst und modifiziert. In enger Zusammenarbeit mit den Gießereien werden die Produkte konsequent auf die Anwendungs- und Praxistauglichkeit im entsprechenden Land ausgerichtet, was selbstverständlich und in erster Linie auch für Deutschland zutrifft. Die Gießsimulation ist ein Werkzeug zur Simulation verschiedener physikalischer Prozesse, die während des Abgusses in der Form ablaufen. Dies sind im Wesentlichen die drei Prozesse Formfüllung, Erstarrung und Spannungsbildung während der Abkühlung. Die Simulation dieser physikalischen Prozesse dient dazu, den Gieß- und Erstarrungsprozess schnell und effizient zu untersuchen, Lunker und Mikroporositäten zu vermeiden, Restspannungen und Verzug zu minimieren sowie die Anzahl der Prototypen und Gießversuche zu verringern. ASK Chemicals nutzt konsequent dieses Werkzeug, um gemeinsam mit den Kunden aus den Ergebnissen Rückschlüsse für weitere Entwicklungsschritte zu ziehen.

Ziel jedes Projekts ist es, eine Gussqualität zu erreichen, die den Spezifikationsanforderungen entspricht. Durch gemeinsames Vorgehen von der Form- und Kernherstellung, Schmelzführung über das Impfen, Gießen und Formfüllen bis zum Filtrieren können deutliche Synergieeffekte erreicht werden. Vorschläge zur Verbesserung des gesamten Fertigungsablaufes werden gemeinsam erarbeitet und umgesetzt. Im Endeffekt stehen fertigungs- bzw. gussstückspezifische Produkte zur Verfügung.